„Die Unfallchirurgie in Deutschland - unsere Verantwortung und Verpflichtung“

Sektion Alterstraumatologie

Hintergrund: demographische Entwicklung

In Deutschland wird sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen älteren und jüngeren Menschen in den nächsten Jahrzehnten erheblich verschieben: Im Jahr 2050 wird nach der neuesten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes die Hälfte der Bevölkerung älter als 48 Jahre und ein Drittel 60 Jahre oder älter sein. Der Anteil der mindestens 75-jährigen wird von 1996 bis 2025 um 164 Prozent (Männer) bzw. 126 Prozent (Frauen) steigen.

Die Alterung der deutschen Gesellschaft wird nicht erst in 50 Jahren zu Problemen führen, sondern bereits in den nächsten beiden Jahrzehnten eine Herausforderung darstellen. Der so genannte Altenquotient zeigt die zu erwartenden Verschiebungen im Altersaufbau besonders deutlich: Im Jahr 2001 lag er bei 44, d.h. 100 Menschen im Erwerbsalter standen 44 Personen im Rentenalter gegenüber. Bis 2020 erhöht sich der Altenquotient von 44 auf 55 an und nimmt bis 2030 sprunghaft auf 71 zu.

Aus der steigenden Lebenserwartung und der damit verbundenen Umverteilung in der Lebenspyramide resultiert eine steigende Inzidenz von Verletzungen des muskuloskelettalen Systems im Alter. Zusätzlich erleben wir derzeit einen Wandel in den Lebensverhältnissen der alten Menschen in den Industriestaaten. Die alten Menschen in Deutschland werden immer mobiler und treiben immer mehr Sport wie Skilaufen, Wandern oder Fahrradfahren. Dabei kommt es zu Unfällen. Es ist also auch damit zu rechnen, dass Unfälle im Alter in den nächsten Jahren überproportional zunehmen werden. Erkrankungen im Alter werden damit zu einem der Schwerpunkte der medizinischen Versorgung der Zukunft.

Krankheitskosten

Die Krankheitskosten 2002 der 65-Jährigen und älteren Personen in Deutschland beliefen sich auf 96,0 Mrd. Euro und werden sich in naher Zukunft deutlich steigern.

Genaue Informationen zu den Inzidenzen und Kosten von Verletzungen im Alter liegen in Deutschland nur zum Teil vor. Informationen aus anderen Industrienationen lassen erahnen, welche Kostenbelastung auf das deutsche Gesundheitssystem zukommen wird. So sind in der Schweiz bereits jetzt mehr stationäre Krankenhaustage aufgrund osteoporotischer Frakturen notwendig als beim Myokardinfarkt und Apoplex zusammen. Erwartet wird in Deutschland eine über 300-prozentige Steigerung der Kosten alleine für die Behandlung von Oberschenkelfrakturen von ca. 2 Mrd. Euro im Jahre 2002 auf 6 Mrd. Euro im Jahre 2030.

Eine vollständige soziale Wiedereingliederung in das alte Umfeld kann nur bei etwa der Hälfte der Betroffenen erzielt werden und ein nicht unerheblicher Teil verbleibt pflegebedürftig. Die mittelbaren Kosten der hüftgelenknahen Oberschenkelbrüche stellen somit einen größeren Anteil an den Gesamtkosten als die Kosten für die Akutversorgung dar.

Die AG Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Versorgungsrealität der geriatrischen Traumatologie in Deutschland und entwickelt Algorithmen zur Therapie, um die Versorgung der Patienten weiter zu verbessern.

Leiter

Prof. Dr. U.C. Liener
Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Vinzenz von Paul Kliniken gGmbH, Marienhospital Stuttgart

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Stellvertreter

Prof. Dr. Carl Neuerburg
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie 
Muskuloskelettales Universitätszentrum München (MUM),
LMU Klinikum, München

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Sektionsbeauftragter für Versorgungsstrukturen und Netzwerke

Dr. Thomas Friess
Versorgungsstrukturen und Netzwerke
Projektkoordination AltersTraumaZentrum- und AltersTraumaRegister-DGU
Akademie der Unfallchirurgie AUC, München 

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Schriftführer

Prof. Dr. Carsten Schöneberg
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Alfried Krupp Krankenhaus Essen

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Aktuelle Projekte:

Entwicklung und Umsetzung der Zertifizierung von Alterstraumatologiezentren

Die AG Alterstraumatologie hat die  die Entwicklung eines Zertifizierungsverfahrens initiiert und organisiert. Das Zertifizierungsverfahren AltersTraumaZentrum DGU beginnt am 18. März 2014.

Es wird in Kooperation mit der Fa CERT iQ GmbH durchgeführt. Die Fa CERT iQ GmbH ist durch die Deutsche Akkreditierungsstelle Berlin zugelassen und insbesondere im Gesundheits- und Sozialwesen erfahren und spezialisiert.  
 

Weitere Informationen finden Sie auf der Website: www.alterstraumazentrum-dgu.de
Kontakt: ulrich.liener(at)vinzenz.de
 

Entwurf eines Registers proximale Femurfrakturen

Im Zusammenhang mit der geplanten Zertifizierung von Zentren für Alterstraumatologie ist die Einrichtung eines Registers proximaler Femurfrakturen geplant.
Kontakt: e.hartwig(at)diak-ka.de
 

Zentrale Erfassung atypischer subtrochanterer Femurfrakturen

AG internes Register atypischer Femurfrakturen unter antiresorptiver Behandlung.
Kontakt: hans.goost(at)ukb.uni-bonn.de
 

Mangelernährung alterstraumatologischer Patienten

Planung einer Interventionsstudie zur Behandlung von Ernährungsdefiziten.
Kontakt: ulrich.liener(at)vinzenz.de
 

Gelenkerhaltende Operationen bei Schenkelhalsfrakturen

Beobachtungsstudie zur gelenkerhaltenden Behandlung von Schenkelhalsfrakturen. Kontakt: c.wiemer(at)evk-castrop-rauxel.de
 

Sturzrisiko bei Patienten mit distalen Radiusfrakturen

Erfassung des Sturzrisikos im Längsschnitt bei Patienten mit distaler Radiusfraktur.
Kontakt: E.Hartwig(at)diak-ka.de
 

Alter Mensch und Polytrauma

Outcomeerfassung von polytraumatisierten alten Patienten.
Kontakt: andreas.paech(at)uksh.de
 

Klassifikation geriatrischer Wirbelfrakturen

Erarbeitung einer Klassifikation geriatrischer Wirbelfrakturen gemeinsam mit der AG Wirbelsäule.
Kontakt: t.wissmeyer(at)asklepios.com

Sinn und Hintergrund unfallchirurgisch-geriatrischer Zusammenarbeit

Der Nutzen einer unfallchirurgisch-geriatrischen Zusammenarbeit bei der Behandlung des Alterstraumas unmittelbar perioperativ und einer frühzeitig einsetzenden multidiziplinären Rehabilitation kann nicht mehr ernsthaft bestritten werden. Entsprechend wurden in den vergangenen Jahren in vielen Ländern unterschiedliche Versorgungsmodelle unfallchirurgisch-geriatrischer Kooperation etabliert. Hier reicht das Spektrum von einer inzwischen orthogeriatrischen Tradition in England seit Ende der 1950er Jahre bis hin zur vergleichsweise jungen und vereinzelten, teilweise zertifizierten Zentrenbildung in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Gleichwohl besteht keine Einigkeit über die Effizienz verschiedener unfallchirurgisch-geriatrischer Kooperationsmodelle. Hierzu wurde aus der AG heraus eine systematische Literaturübersicht und Metaanalyse zur frühen geriatrischen Mitbehandlung in der Alterstraumatologie erarbeitet und im Deutschen Ärzteblatt publiziert (Buecking B, Timmesfeld N, Riem S, Bliemel C, Hartwig E, Friess T, Liener U, Ruchholtz S, Eschbach D: Early orthogeriatric treatment of trauma in the elderly—a systematic review and metaanalysis. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(15): 255−62. DOI: 10.3238/arztebl.2013.0255).

Offensichtlich wird damit auch die Notwendigkeit entsprechender Versorgungs- und Outcome-Forschung. Hierzu soll die Outcome-Studie „coxale Femurfraktur“ der AG Alterstraumatologie weiteren Aufschluss über den Zusammenhang mit unterschiedlichen Versorgungsmodellen bringen.

Parallel wurde die Auditierung von zunächst 10 Pilotkliniken und deren Kompetenz zur Steigerung von Qualität und Sicherheit in der interdisziplinären Alterstraumatologie durchgeführt. Die Pilotphase des Verfahrens fand ihren Abschluss im Mai 2013. Beide Projekte der AG Alterstraumatologie haben in ihren Inhalten sowie auch für die beteiligten Kliniken eine gemeinsame Schnittmenge.
 

Abschluss der Pilotphase „Zertifizierung“

Kontroverse Diskussionen belegen immer wieder, dass der Begriff der Zertifizierung nicht durchweg unvoreingenommen und vorbehaltlos angenommen wird. Mit ursächlich sind möglicherweise auch eine gewisse Zertifizierungsmüdigkeit und eine Überhöhung dessen, wofür „Zertifizierung“ steht. Gleichwohl bescheinigt das Interesse unfallchirurgischer Kliniken die Relevanz dieses Projektes: Die interne Liste der Bewerbungen für die Pilotphase musste bei 22 Kliniken zunächst geschlossen werden. Letztlich fand eine Einigung innerhalb der AG auf 10 Pilotkliniken statt – dabei unter anderen auch zwei Universitätskliniken und eine berufsgenossenschaftliche Unfallklinik.

Der Pilotauditierung zu Grunde gelegt wurde nach wie vor der seit 2007 in der AG Altertraumatologie entwickelte Anforderungskatalog, überarbeitet und konsentiert mit der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie und dem Bundesverband Geriatrie.

Drei Pilotkliniken waren zum Zeitpunkt des Audits mit ihren Zentren für Alterstraumatologie bereits nach DIN EN ISO zertifiziert. Die aktuell gelebte Qualität oder gar ein qualitätssteigernder Effekt durch das QM-System kann daraus unmittelbar nicht abgeleitet werden. Entsprechend wurden die Kompetenzen fachinhaltlich unfallchirurgisch und geriatrisch durch Fachexperten der beiden Disziplinen auditiert. Sowohl dem Anmeldeverfahren wie auch dem Audit selbst wurden die in Checklisten heruntergebrochenen Inhalte des Anforderungskatalogs und Kompetenzmerkmale zu Grunde gelegt. Das Verfahren erhielt damit zusätzlich Transparenz und Reproduzierbarkeit. Wie für die Auditierung selbst standen auch auf allen Entscheidungsebenen des Pilotverfahrens Vertreter aus der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie zur Verfügung.

Die positiven Rückmeldungen aus den auditierten Pilotkliniken bestätigen durchweg, dass das konstruktiv und inhaltlich auf Augenhöhe geleitete Verfahren als eine positive Verstärkung beim Bemühen um eine interdisziplinäre Verbesserung der Behandlungsqualität erfahren wurde.

Die AUC der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie war auch bereits in der Pilotphase organisatorisch für das Verfahren verantwortlich. Die Evaluation der Pilotauditierungen einschließlich der damit ggf. notwendigen Anpassungen des Anforderungskatalogs soll im Juni 2013 abgeschlossen sein. Die Ergebnisse werden dann dem Präsidium der DGU zur Beschlussfassung im Rahmen der Initiative „Qualität und sicherheit in O und U“ vorliegen. Mit Freigabe des Verfahrens durch die Fachgesellschaft und Vergabe der Zertifikate werden die bereits auditierten Kliniken an den Verfahrenskosten beteiligt.

Mit dem Auditierungsverfahren wird auch die alterstraumatologische Versorgungsforschung verbunden sein. Obligat wird für die teilnehmenden Kliniken die Bearbeitung eines inzwischen konsentierten Kennzahlen-Sets und die Anbindung an ein Modul Alterstraumatologie des DGU-Traumaregisters sein.

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