Kann die Behandlung chronischer Rückenschmerzen durch eine Depression oder eine andere Begleiterkrankung erschwert werden? „Die elektronische Patientenakte (ePA) ist ein wichtiges Arbeitsinstrument, um zielgerichteter und besser diagnostizieren und behandeln zu können“, sagte Dr. med. Thomas Möller, Kongresspräsident DKOU 2019 des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU): „Wir können aus der elektronischen Patientenakte entnehmen, unter welchen Begleiterkrankungen Patienten leiden und Befunde wie Röntgenbilder oder Laborberichte direkt einsehen. Dadurch ist es möglich, diese Befunde bei der Diagnose und Behandlung zu berücksichtigen. Auch belastende Doppel- und Mehrfachuntersuchungen lassen sich so vermeiden und Therapien besser organisieren. Als Ärztinnen und Ärzte für O und U haben wir ein hohes Interesse an der elektronischen Patientenakte“, fasste der niedergelassene Orthopäde und Unfallchirurg Möller zusammen. „Sie wäre ein großer Schritt sowohl für die interdisziplinäre als auch für die stationäre und ambulante Vernetzung.“
„Eine entsprechende Akte sollte allerdings vollständig, nicht manipulierbar und sicher sein,“ sagte er. Internationale Fälle von Datenraub hätten gezeigt, wie vulnerabel die Datensicherheit sei. Derzeit gäbe es in Deutschland keine Notfallstrategie gegen Datenraub, Datenlecks und Datenmissbrauch, sagte Möller weiter.
Auch die Frage nach den Zugriffsrechten ist noch offen. Sie soll in einem eigenen Datenschutzgesetz geregelt werden. Statt den Zugriff auf die elektronische Patientenakte zu reglementieren, könnte der Zugriff nach Ansicht von Möller möglicherweise auch kontrolliert werden. Das würde bedeuten, dass jeder Aufruf von Befunden und Daten mit Datum, Name des Zugreifers und Anlass registriert und in der elektronischen Patientenakte vermerkt wird. Fehlverhalten würde so auffallen.
Um die Versorgungsforschung voran zu treiben, begrüßt der BVOU auch die Datenspende – das anonyme und unentgeltliche zur Verfügung stellen von Gesundheitsdaten für die medizinische Forschung. Jedoch müssten die Bedingungen für eine Datenspende noch einmal unter die Lupe genommen werden. So hat eine aktuelle Nature-Untersuchung (1) nachgewiesen, dass sich jeder Amerikaner über fünfzehn Datenpunkte mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,98 Prozent identifizieren lässt. Obwohl Personendaten anonymisiert werden, besteht offensichtlich die Gefahr, dass Studienteilnehmer mit technisch einfachen Mitteln re-identifiziert werden, sagte Möller. In einer kleinen Stichprobe genügten oft schon das Geschlecht, die Postleitzahl und das Geburtsdatum einer Person, um sie mit hoher Sicherheit zu identifizieren. „Wir sehen hier eine Aufgabe, die im Konsens gelöst werden muss, die uns aber keinesfalls den Blick auf Zukunftschancen versperren sollte “, sagte der niedergelassene Orthopäde und Unfallchirurg aus Speyer.
Quellen:
(1) Estimating the success of re-identifications in incomplete datasets using generative models